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Schule der Arbeit 1928–33
Leipzig Schleußig

Historische Aufnahme der Schule der Arbeit von 1928 (Repro Angela Dolgner, Halle) und der Zustand im Jahr 1990 (Foto Karla Voigt, Leipzig)

Protokoll des Überfalls auf die Schule der Arbeit am 16. März 1933, Stadtarchiv Leipzig Kap 10 Nr 408 Bh 2

Ute Richter, Fotos und Recherche 2022

Überfall auf die Schule der Arbeit im März 1933

Leipzig, den 17. März 1933
An Herrn Oberbürgermeister Dr. Goerdeler

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister!
Die Unterzeichnete gestattet sich Ihnen folgende Vorgänge mitzuteilen. Am gestrigen Abend etwa 8 Uhr wurde das Haus Schule der Arbeit plötzlich von 2 Seiten überfallen. Ein Trupp drang vom Wald her in den Garten, ein anderer forderte an der Haustür Einlass. Sie vermochten keinerlei Ausweis beizubringen. Als ihnen der Einlass verweigert wurde, stürmten sie über die Mauern, schlugen die Eingangstüren des Hauses kurz und klein, zertrümmerten Fenster und versuchten dann in das im oberen Stock gelegene Volkshochschulheim unter wüsten Beschimpfungen mit Gewalt einzudringen. Die stark befestigten Eingangstüren des oberen Stockwerkes leisteten Widerstand, bis die von uns herbeigerufene Polizei das Haus besetzte. Die Namen einer Anzahl Beteiligter wurden polizeilich festgestellt.
Irgend eine Provokation zu diesem Vorgehen ist unsererseits nicht erfolgt, weder im Augenblick noch in den vorhergehenden Monaten. Auch während des Überfalls wahrten unsere Heimschüler eiserne Disziplin und beschränkten sich auf passiven Widerstand. Sie machten von der Möglichkeit, die Angreifer von oben mit allen Gegenständen des Hauses zu bombardieren, meiner Weisung folgend, keinen Gebrauch. Die Angreifer wurden dann von einem Führer der Hitlerjugend im unteren Saal des Hauses gesammelt und verließen unter seiner Führung das Haus. In unserem Haus wurden keinerlei Waffen gefunden, die Polizei nahm lediglich den Schläger eines Gongs an sich.

Am selben Tag vormittags wurde unser Volkshochschulheim Dessauer Strasse plötzlich ohne jeden Anlass geschlossen. So ist von 2 Seiten her meine Bildungsarbeit, die eine im ernsten Sinne staatserhaltende war, lahm gelegt. Welche psychologischen Wirkungen diese Vorgänge auf junge Arbeiter ausüben, die in straffer geistiger Arbeit bestrebt sind, die Ereignisse der Zeit zu verstehen, darf ich Ihrem Urteil, sehr verehrter Herr Oberbürgermeister, überlassen.

In vorzüglichster Ergebenheit
Gertrud Hermes
Vorsitzende des Vereins Leipziger Volkshochschulheime
Stieglitzstraße 24