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Schule der Arbeit 1928–33
Leipzig Schleußig

Historische Aufnahme der Schule der Arbeit von 1928 (Repro Angela Dolgner, 1990) – Foto Ute Richter, Atelierwand 2022

Leipziger Hausfrau 1929, Seite VI, Die Schule der Arbeit, Ihre Aufgaben und ihre Ziele

Recherche Ute Richter, 2022

Die Schule der Arbeit, Ihre Aufgaben und ihre Ziele

Am 1. Oktober vorigen Jahres wurde das neuste Heim der Leipziger Volkshochschule, Leipzig Schleußig, Stieglitzstraße 24, eröffnet unter der Bezeichnung einer „Schule der Arbeit“. Da der Fernstehende sich unter diesem Titel nichts bestimmtes vorzustellen vermag, möchten wir zu unseren Bildern eine kurze Schilderung geben.
Die Leipziger Volkshochschule vermittelt bekanntlich Kenntnisse aus den verschiedensten Gebieten der Wissenschaft und Kultur durch Einzelveranstaltungen, Vortragsreihen und Arbeitsgemeinschaften. Die höchste Lehrform jedoch stellen die Lebensgemeinschaften auf die Dauer von einigen Monaten dar, die in den Heimen der Volkshochschule jungen Menschenkindern Gelegenheit geben, unter berufener Leitung nicht nur ernstes Wissen zu erarbeiten, sondern auch zu vorbildlichem Gemeinschaftsleben zu erziehen.
Die „Schule der Arbeit“ stellt den neuzeitlichen Typus des Volkshochschulheimes dar. Schon das Äußere des landhausartigen Baues zeigt die Formen strenger Sachlichkeit, die selbstverständlich auch im Inneren verwirklicht sind. Im Heim sind bis zu 17 männliche Jugendliche zu einer Lebensgemeinschaft von 10 Monaten zusammengeschlossen. Sie gehen tagsüber ihrer Arbeit nach und vereinigen sich an drei Abenden der Woche zu geistiger Fortbildung auf politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet. Die übrigen Abende sind der persönlichen Arbeit und der Gemeinschaftspflege vorbehalten. Die jungen Leute geben zwei Drittel ihres Lohns für den Lebensunterhalt an das Heim ab. Außerdem wird die Schule durch eine staatliche Beihilfe unterstützt.
Das Heim steht unter der Leitung von Frau Gertrud Hermes, die schon 1922 aus persönlichen Mitteln in ihrer Wohnung in Connewitz ein solches Volkshochschulheim geschaffen hatte, und nun nach erfolgreicher Arbeit mit ihrem Schülerkreis in das neue Heim eingezogen ist. Es wird interessieren, daß Leipzig noch drei weitere Volkshochschulheime, allerdings bedeutend einfachere, besitzt und zwar: Für 15 Heimschüler an der Dessauer Straße, für sieben Schüler an der Stöckelstraße und für junge Mädchen Hohe Straße 36 (über das letztgenannte Heim berichten wir bei Gelegenheit).
In der „Schule der Arbeit“ bewohnt also die Studiengemeinschaft der jungen Männer das erste Stockwerk des Gebäudes, wo die schlichten, sachlich und doch schön eingerichteten Wohn- und Schlafzimmer der Heiminsassen um einen Tages- und Arbeitsraum mit einem großen Tisch geordnet sind, wo die Zimmer der Leiterin Frau Hermes, wo auch die Küchen-, Wasch-, und Baderäume liegen. Vom Wirtschaftsbetrieb ist jedoch nichts zu sehen. Alle Türen sind so in die Wandverkleidung eingelassen, daß sie fast unsichtbar sind, und der erwähnte in der Mitte gelegene Tagesraum als absolut abgeschlossenes, durch keine Tür beunruhigtes Zimmer wirkt. Alle, auch die Wirtschaftsräume sind sachlich, technisch vorbildlich und künstlerisch gut eingerichtet.
Das Erdgeschoß ist vom Volksbildungsamt Leipzig gemietet für Veranstaltungen der Volkshochschule und zur Unterbringung der Schule der Wirtschaft und Verwaltung. Da befindet sich der große, saalartige Gemeinschaftsraum für Vorträge und Veranstaltungen größerer Art. Seine Einteilung gestattet die Abgrenzung gemütlicher Plätze für kleine Gruppen. Der große Raum wird durch gut verteilte Beleuchtung gleichmäßig erhellt und hat durch eine hohe, bis zum Boden verglaste Tür unmittelbaren Zugang zum Garten.
Weiterhin enthält das Erdgeschoß zwei kleine Versammlungsräume, die Bibliothek und drei kleinere Arbeitszimmer. Überall berührt die wohltuende Schlichtheit angenehm und zeugt von dem auf geistiges Streben eingestellten Zweck des Hauses.
… Es ist zu wünschen, die Leipziger Volkshochschularbeit möge auf allen Gebieten eine so tatkräftige Förderung erfahren, wie sie in der „Schule der Arbeit“ zu spüren ist.

Leipziger Hausfrau, 1929, Seite VI